Nur Verlierer

Kriege können nicht gewonnen werden und sind niemals gerecht ― trotzdem werden sie geführt. Teil 1/3.

Dieser Artikel erschien am 1. März 2023 im Rubikon, heute manova.news.

Von Angela Mahr

Das erste Opfer in jedem Krieg ist die Wahrheit. Bei diesem einen Opfer bleibt es jedoch nicht. Über viele Jahrhunderte wurde Menschen in allen an Kriegen beteiligten Ländern erzählt, eine bewaffnete Auseinandersetzung sei gut ― vorausgesetzt, das eigene Lager könne diese gewinnen. Übrig blieben Tausende Tote und Traumatisierte, die sich allerdings meist nicht unter denjenigen befanden, die die Kriegstrommeln besonders eifrig gerührt hatten. Selbst die „Gewinner“ aber verlieren oft unermesslich viel: Menschenleben, Material, Wohlstand und den Frieden der Seelen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätte man denken können, zumindest wir Deutschen hätten das Spiel durchschaut. Aber offensichtlich hat das historisch bekannte Leiden nicht ausgereicht, um den Effekt des „gebrannten Kindes“ dauerhaft zu erzielen. Wieder wird von Rednerbühnen herab und in Talkshows von notwendigen und gerechten Kriegen geschwafelt. Kann ein Krieg gewonnen werden? Warum werden Kriege geführt? Wer profitiert vom Krieg? Was ist ein Stellvertreterkrieg? ― Darum geht es in der folgenden Rückschau auf die Kriege in Angola und in Afghanistan sowie auf einige geostrategische Überlegungen, die bis heute aktuell sind. Teil 1/3.

„Wir haben eine militärisch operative Pattsituation, die wir aber militärisch nicht lösen können“, sagt Ex-Brigadegeneral Erich Vad, der von 2006 bis 2013 militärpolitischer Berater von Kanzlerin Angela Merkel war, über unsere aktuelle Situation. „Das ist übrigens auch die Meinung des amerikanischen Generalstabschefs Mark Milley. Er hat gesagt, dass ein militärischer Sieg der Ukraine nicht zu erwarten sei und dass Verhandlungen der einzig mögliche Weg seien. Alles andere bedeutet den sinnlosen Verschleiß von Menschenleben.“

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte am 25. April 2022, die USA wollten Russland schwächen, damit es keine weitere Invasion durchführen könne: „Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es die Dinge, die es beim Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr tun kann.”

Wenn ein Krieg mit militärischen Mitteln gar nicht zu gewinnen ist, worum geht es dann dabei? Ich fühle mich an das Afghanistan der Achtzigerjahre erinnert.

Zwischen Phrasendreschen und der Lieferung von Panzern scheint unsere gegenwärtige Regierungspolitik vergessen zu haben, was Krieg ist, und wie Kriege entstehen.
Krieg beenden ― Panzer senden“ dichteten vor Kurzem die Jungen Liberalen.

„In einer Welt des orwellschen Neusprech, in der Krieg plötzlich Frieden heißt, mag das alles ja funktionieren“, überlegt Sahra Wagenknecht. „Aber in der realen Welt, da fragt man sich doch nur noch: Sind die alle komplett durchgeknallt? (…) Wir werden immer mehr zur Kriegspartei. Nicht nur völkerrechtlich, auch faktisch. Zumal es eben auch heißt: Kurzfristig sind die modernen Leopardpanzer für die Ukraine nur einsetzbar, wenn wir eine deutsche Besatzung mitschicken. Aber vielleicht ist genau das, was einige wollen?”

Jeder Krieg fängt mit Lügen an, und für jeden Krieg gibt es auch die passende Propaganda. Begriffe wie „Regime“, „Autokrat“, „Rebellen“, „Solidarität“, „Entschlossenes Handeln“ oder gar „robustes Mandat“ sollten uns also generell aufhorchen lassen. Jedes Mal klingt es irgendwie gut, moralisch und vor allem auch alternativlos, und jedes Mal erzeugt es im Rückblick unermessliches Leid.

Gibt es einen guten Krieg? Ich sage Nein. Kann ein Krieg gewonnen werden, und sich dadurch im Nachhinein legitimieren? Erst recht nicht, meine ich. Ein Krieg kann nicht durch noch mehr Krieg beendet werden. Leidtragend ist immer die Bevölkerung. Jeder Krieg endet schließlich am Verhandlungstisch. Wer aber für Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet wirbt, der wirbt damit immer auch gleichzeitig für einen Krieg. „Keine Waffen in Kriegsgebiete“, hatten die Grünen auf ihren Plakaten geworben. Das war mal eine gute Idee. Anton Hofreiter antwortet auf eine Nachfrage am 5. Januar 2023, man müsse „differenzieren, um welche Art von Krieg es sich handelt“. Gibt es also doch gute Kriege? Kann ein Krieg rückblickend legitimiert werden, weil er gewonnen wurde? Was will er uns hier verkaufen?

Die folgenden Rückblicke behandeln die generelle Frage nach der Gewinnbarkeit von Kriegen und legen einige sich wiederholende, jedoch meistens verdeckte Strategien und Dynamiken offen. Sie sind von meiner Seite weitgehend neutral gehalten. Meine persönliche Meinung lege ich im letzten Kapitel dar.

Stellvertreterkrieg in Angola: Die Apokalypse für Freiheitskämpfer

Der Begriff „Stellvertreterkrieg“ ― englisch „proxy war“ ― ist zurückzuführen auf den Kalten Krieg und zeichnet sich dadurch aus, „dass ein in den Drittstaaten meist bereits bestehender Konflikt, Bürgerkrieg oder Krieg zu den jeweils eigenen Zwecken der involvierten Großmächte instrumentalisiert und, sofern dieses noch nicht der Fall ist, zu einem militärischen Konflikt ausgeweitet wird“. Das vorrangige Ziel der Großmächte im Stellvertreterkrieg ist„der Erhalt beziehungsweise die Erweiterung der jeweiligen Interessensphäre auf Kosten der anderen Großmächte“ .
Leidtragende sind hauptsächlich die Bevölkerungen der Drittstaaten. Die jeweils eigene Bevölkerung kann daher leichter überzeugt werden, in vielen Fällen wird der Stellvertreterkrieg auch vor ihr geheimgehalten.

Der Bürgerkrieg in Angola begann 1975, unmittelbar vor der Unabhängigkeit des Landes von der Kolonialmacht Portugal. Er weitete sich zu einem Stellvertreterkrieg zwischen dem Ostblock aus, einschließlich Kubas, und den Westmächten, einschließlich des Apartheidregimes in Südafrika.

„Das Ganze bewegte sich in der Logik eines Stellvertreterkampfes“, fasst der Historiker Jürgen Zimmerer zusammen. „Der Konflikt wurde erst gelöst, als Michail Gorbatschow das kommunistische Regime abbaute und dann die Südafrikaner aus dem von ihnen besetzten Namibia abzogen.“

Als Kriegsende gilt der Zeitpunkt der Tötung des Rebellenanführers Jonas Savimbi im Jahr 2002.

Paramilitärisches Programm der CIA in Angola: 1975 bis 1976

John Stockwell war 13 Jahre lang Agent der Central Intelligence Agency (CIA) und unter anderem in Vietnam und in Afrika eingesetzt. Er leitete die verdeckte Operation in Angola und war dafür sowohl von Washington als auch vor Ort aus tätig. „Es gibt (…) noch andere Funktionen (der CIA), von denen einige legitimer sind als andere“, erklärt der Whistleblower. „Eine davon ist die verdeckte Kriegsführung. (…) Eine andere Sache ist die Verbreitung von Propaganda, um die Köpfe der Menschen zu beeinflussen. Und das ist eine der Hauptaufgaben der CIA“. Auf die Frage nach einem konkreten Beispiel dafür antwortet Stockwell:

„In meinem Krieg zum Beispiel, dem Angolakrieg, den ich mitorganisiert habe, bestand ein Drittel meines Personals aus Propagandisten. (…) Ich hatte Propagandisten in der ganzen Welt, vor allem in London, Kinshasa und Sambia. Wir veröffentlichten die Geschichten, die wir schrieben, in der Sambia Times. Und dann picken wir sie heraus und schicken sie an einen Journalisten, der auf unserer Gehaltsliste in Europa steht. Aber seine Tarngeschichte wird sein, dass er sie von seinem Informanten in Lusaka bekommen hat, der sie von der Sambia Times bekommen hat. Wir haben die Komplizenschaft der Regierung von Sambia, von Kenneth Kaunda, um diese falschen Geschichten in seine Zeitungen zu bringen. Aber ab diesem Punkt wussten die Journalisten von Reuters und AFP, das Management, nicht mehr Bescheid. Nun, unser Kontaktmann in Europa schon, und wir verbreiteten einfach Dutzende von Geschichten über kubanische Gräueltaten, kubanische Vergewaltiger. (…) Wir wussten von keiner einzigen Gräueltat, die von den Kubanern begangen wurde. Es war reine, rohe, falsche Propaganda …“

Die CIA und der Stellvertreterkrieg in Angola

Als Angola 1975 unabhängig wurde, gab es rivalisierende Befreiungsbewegungen im Land, die sich gegenseitig bekämpften. Zu diesen Gruppen gehörten die antikolonialistische Nationale Front zur Befreiung Angolas (FNLA), angeführt von Holden Roberto, die Vereinigung für die völlige Unabhängigkeit von Angola (UNITA) unter der Führung von Jonas Savimbi, sowie die ursprünglich marxistische Volksbewegung zur Befreiung Angolas (MPLA). Die beiden letzteren Parteien wurden massiv vom Ausland unterstützt: die MPLA vom kommunistischen Kuba und der Sowjetunion, die UNITA von Südafrika und den USA (1). Um Unterstützung aus dem Ausland zu erhalten, betonten die Bewegungen ihre ideologischen Unterschiede, erklärt Hellmuth Vensky. Die MPLA hob ihre marxistische Ideologie hervor, während die UNITA sozialistische Ansätze in antikommunistische umdefinierte.

Eine ideelle Begründung für die Einmischung der CIA in diesen Konflikt kann John Stockwell nicht nennen. Der verdeckte Krieg wurde vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. Über die Substanz seiner Verbindung zu Jonas Savimbi, den er 1975 persönlich kennenlernt, kann er nur die Gegnerschaft zur MPLA nennen:

„MacElhinney (geänderter Name einer Kollegin) spottete über meine Behauptung, die Anführer der MPLA stünden den Vereinigten Staaten feindlich gegenüber, und fuhr fort: Nur durch die langjährige Beziehung der CIA zu Roberto waren wir so nah an der FNLA dran, und selbst er wollte uns trotz der jahrelangen Zusammenarbeit nicht viel erzählen. Zum Beispiel hatten die Chinesen ihr FNLA-Beraterprogramm öffentlich angekündigt, und wir wussten, dass sie sich in Kinkuza, Zaire, aufhielten, aber Roberto wollte mit der CIA nicht darüber sprechen. Über Savimbi wussten wir noch weniger unser Bündnis mit ihm beruhte ausschließlich auf seiner Opposition zur MPLA“(2).

Savimbi hatte Stockwell zufolge keine tiefgreifende Ideologie. „Er war weder Marxist noch Kapitalist, nicht einmal ein schwarzer Revolutionär. Er war ein angolanischer Patriot, der für die Freiheit des Volkes der Ovimbundu kämpfte“ (3). Die Ovimbundu stellen die größte Volksgruppe Angolas dar. Die MPLA rekrutierte sich überwiegend aus den Ambundu, der zweitgrößten Ethnie des Landes sowie aus weiteren Ethnien in Angola.

Stockwell begleitet Savimbi auf eine große Versammlung der UNITA, wo Savimbi eine flammende Rede hält. Mehr als 300 Afrikaner rufen „Savimbi“, „UNITA“ und „Angola“. Savimbi ruft: „UNITA ist die Hoffnung für Angola!“ und „Wir haben die Portugiesen besiegt, wir werden die MPLA besiegen (4)!“ Stockwell empfindet bei diesem Erlebnis große Zweifel an seiner eigenen Motivation und den Absichten der CIA.

„Als ich auf den Eisenbahnschienen in der kahlen afrikanischen Steppe stand, empfand ich eine fast mystische Objektivität gegenüber der CIA und den Dingen, die ich getan hatte, die Sinnlosigkeit meiner Operationen in Lubumbashi, die Brutalität und den Verrat in Vietnam, den leeren Zynismus der Rolle des Case Officers. Savimbi war sehr ungeduldig, weiterzumachen. Einen Moment lang habe ich ihm das übel genommen, mit seinen klaren Absichten und seinem reinen Gewissen. Er war dieser seltene Augenblick der Geschichte, ein Abbild der großen Stammesführer Afrikas ― Tchaka Zulu, Msiri und Jomo Kenyatta ― weit entfernt von den unvereinbaren Werten und Zielen Amerikas und der CIA in ihrer mittelalterlichen Borniertheit“ (5).

Der Krieg in Angola drehte sich viel um Öl und Diamanten. „Welche Rolle spielt die internationale Wirtschaft bei Operationen wie Kuba und Kriegen wie im Kongo, in Vietnam und Angola?“, reflektiert John Stockwell. In Angola waren ihm zufolge mehrere transnationale Giganten „am Ergebnis interessiert“(6), darunter der Erdölkonzern Gulf Oil, der Diamantenkonzern DeBeers, Boeing, Mobil und zahlreiche kleinere Unternehmen.

Die UNITA finanzierte sich durch den Verkauf von Diamanten an Südafrika. Waffenhändler in aller Welt füllten ihre Kassen. Cabinda, ein Gebiet zwischen Kongo und dem damaligen Zaire, wurde hart und mit vehementer internationaler Einflussnahme umkämpft. Vor der Küste dort liegen gewaltige Erdölvorkommen. Vor dem Krieg hatte Gulf Oil exklusiven Zugang zu den Ölfeldern in Cabinda gehabt (7).

Die blutigen Massaker in Afrika werden wesentlich durch den Verkauf von Diamanten finanziert, besonders in Angola, fasste Anne Jung von Medico International zusammen. Der florierende Handel mit Diamanten und Öl war 30 Jahre lang die materielle Basis des langandauerndsten Krieges Afrikas. Die Profiteure seien transnationale Konzerne, Regierungen, Private Söldnerfirmen und Diamantenmärkte.

Kriegführen ohne mitzureden: Need-to-Know für leitende CIA-Agenten

Stockwell gerät im Laufe der verdeckten Kriegsführung immer tiefer in einen inneren Konflikt. Er muss feststellen, dass er zwar selbst vor Ort in Angola war und von Washington aus den Krieg organisiert, aber keinen Einfluss auf die Strategie hat, ungeachtet seines Wissensstands. Seine Überlegungen werden immer wieder zurückgewiesen, etwa vom Leiter der Afrikaabteilung James Potts. „Potts und ich hatten das Angolaprogramm nie gemeinsam analysiert“, erinnert sich Stockwell. „Jetzt, da ich von meinen Kenntnissen über Angola überzeugt war, wollte ich eine Aussprache, seine Gründe für das Programm hören und einige grundlegende Vorschläge machen. (…) Es hat nicht funktioniert. Potts weigerte sich zu antworten und die Sitzung wurde zu einem Monolog …“ (8).

Zum Zeitpunkt des Geschehens glaubt Stockwell offenbar an die Möglichkeit, den Krieg in Angola zu gewinnen sowie an die Sinnhaftigkeit von Krieg überhaupt und schlägt deshalb ein aggressiveres Vorgehen vor. Völlig entgegen seiner Vorstellung wurde der verdeckte Krieg in Angola jedoch weitergeführt, ohne die Absicht, ihn zu gewinnen. Vielmehr wurde ein Gleichgewicht der verfeindeten Kräfte zum Ziel erklärt (9). Stockwell macht seinem Vorgesetzten gegenüber deutlich, dass das, sollte diese Strategie weitergeführt werden, der Bevölkerung nicht dienen wird, weder in Angola noch in den USA. Er beißt damit aber auf Granit:

„Andernfalls, wenn wir dazu nicht bereit wären, würden wir die Interessen der Vereinigten Staaten dadurch wahren, dass wir uns aus dem Konflikt heraushalten“, erklärt Stockwell gegenüber Potts. „Der Mittelweg, uns mit kleinen Beihilfen durchzuschlagen, würde den Krieg nur eskalieren lassen und die Vereinigten Staaten in eine schwierige Lage bringen. Das würde weder dem angolanischen Volk noch uns helfen“. Potts bricht das Gespräch ab.

Bevor Stockwell dann später seinen geplanten internen Vortrag hält, weist der Vorgesetzte ihn in die Schranken: „Bleiben Sie einfach bei den Fakten über Ihre Reise“, sagte Potts. „Ziehen Sie keine Schlussfolgerungen oder Empfehlungen“. Möglicherweise wäre Potts ohne die Anwesenheit Stockwells zufriedener gewesen, aber das wäre auch peinlich geworden. Die Kollegen wollten den Reisebericht aus Angola natürlich aus erster Hand hören (10). Stockwell hält sich an die Vorgabe und erntet schließlich die angemessene Geste von seinem dann wieder entspannten Vorgesetzten, der ihn mit einigen Botschaftern zusammen Essen einlädt. „Er reichte mir den Arm und sagte: ‚John, komm doch mit uns.’ Das sind die Belohnungen für einen guten Teamplayer bei der CIA“ (11).

Die Ablehnung seiner eigenen Analyse der Lage zieht sich durch den Bericht des Whistleblowers hindurch. Teilweise verursacht ihm diese Situation Bauchschmerzen und macht ihn krank (12).

Geostrategie im Kalten Krieg

„Ein Agent, der keine Operationen durchführt, wird nicht befördert“, reflektiert der ehemalige CIA-Mitarbeiter die Motivation seiner Kollegen. „Die Beamten suchen energisch nach Möglichkeiten, unsere nationale Sicherheit zu verteidigen.“ Die Aufgabe der CIA sei es offenbar, in auswärtigen Angelegenheiten die aggressive Strategie zu vertreten: „In den Papieren des 40-Committee für die von der CIA durchgeführte Operation in Angola war keine friedliche Option aufgeführt, obwohl das Büro des US-Außenministeriums für afrikanische Angelegenheiten und der US-Generalkonsul in Luanda nachdrücklich empfohlen hatten, sich nicht einzumischen.“ 1959 habe die CIA Präsident Dwight David Eisenhower auch nicht empfohlen, Fidel Castro zu befrieden und zu lernen, mit ihm in Kuba zu leben (13).

Für das ständige Eintreten für gewaltsame Aggression seitens der CIA nennt Stockwell hier die Beförderung der Agenten als Begründung. Weiterführende Überlegungen überlässt er in seinem Bericht dann Kollegen, an deren Äußerungen er sich erinnert: „Im Austausch mit Brenda MacElhinney griff ich Henry Kissingers vereinfachende Auffassung auf, dass man den Sowjets überall dort entgegentreten müsse, wo sie etwas unternähmen, in diesem Fall in Angola. ‚Sollen wir uns einfach zurücklehnen und ihnen freie Hand in der Dritten Welt lassen?‘ ― ‚Du leidest an einem schlimmen Fall von ›Fraktionszwang‹‘, teilte mir MacElhinney schonungslos mit. ‚Die Sowjets haben in Angola nicht den ersten Schritt gemacht. Das waren andere. Die Chinesen und die Vereinigten Staaten. Die Sowjets sind einen halben Schritt hinterher, um unsere Schritte zu kontern. Und schieben Sie nicht die ganze Schuld auf Kissinger, die CIA hat die Vereinigten Staaten in den angolanischen Schlamassel hineingeführt’, fügte sie hinzu“ (14).

Stockwell erinnert sich mit Brenda MacElhinney an eine gute Kollegin, die jede Frage, die er ihr stellte, kompetent und ausführlich beantwortete. Sie war selbst in Angola gewesen, wo sie die Luanda-Station wiedereröffnet hatte (15). Ihr Name wurde vom Buchautor geändert.

Obwohl die Sowjets bis Anfang der Siebzigerjahre mit der MPLA verbündet waren, hatten sie ihre Unterstützung 1973 eingestellt, erklärt die CIA-Kollegin im Folgenden. Erst im März 1975 habe die Sowjetunion mit umfangreichen Waffenlieferungen an die MPLA begonnen. Als Reaktion auf die chinesischen und amerikanischen Programme sowie auf die Erfolge der FNLA hin habe die Sowjetunion dann massive Waffenlieferungen auf dem Luftweg eingeleitet. MacElhinney betrachtete das Angolaprogramm der CIA als Fehler, der den Vereinigten Staaten schaden und sie in Misskredit bringen würde (16).

Als viel bessere Strategie schlägt die Kollegin Stockwell eine Politik des Nichteinmischens vor. „Wir sollten die Einmischung von außen aufrichtig verurteilen und alle Parteien, einschließlich der Sowjetunion und der Chinesen, auffordern, sich für eine friedliche Lösung einzusetzen. Der senegalesische Präsident Léopold Sédar Senghor hatte soeben zu Initiativen der Vereinten Nationen zur Beendigung der Kämpfe aufgerufen. Wir könnten darauf reagieren. Und wir könnten faire Beziehungen zu allen drei Bewegungen aufbauen und den letztendlichen Sieger in der Gemeinschaft der Nationen willkommen heißen.“

Davon blieb das tatsächliche Vorgehen der CIA meilenweit entfernt. Stockwell trug diese Argumente dem stellvertretenden Leiter Carl Bantam ― Name ebenfalls geändert ― vor. Er wischte sie beiseite: Die CIA-Agenten seien Profis, die für ihre Spezialfähigkeiten bezahlt würden. Es sei nicht ihre Aufgabe, die Politik zu analysieren, sondern nur, sie umzusetzen (17).

Das Ende der verdeckten Operation in Angola

„Im Januar 1976 entwickelte sich die militärische Lage für die UNITA in Angola von schlecht zu katastrophal“, erinnert sich Stockwell. Ohne die südafrikanische Bewaffnung und Führung konnte die UNITA dem Vormarsch der MPLA und damit der Kubaner nicht standhalten. Die Stellung der UNITA bröckelte im gesamten zentralen Angola zunehmend. Savimbi wurde zurückgedrängt (18).

In Washington setzte der Senat schließlich den Stopp des Angolaprogramms durch. Damit wurde der künftige Geldfluss gestoppt.

„Die CIA versuchte dringend, die noch verbliebenen Mittel für weitere Waffenflüge zu verwenden, während die Regierung versuchte, weitere 9 Millionen Dollar aus dem Haushalt des GJ 1975 herauszuquetschen.“ Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen CIA, Regierung und Senat. Die CIA führt den bereits verlorenen Krieg fort. „Zwischen dem 19. Dezember 1975 und dem 29. Januar 1976 gingen fünf weitere C-141-Waffenflüge von Washington und Frankreich nach Kinshasa, die für Angola bestimmt waren (…). Der Senat spürte unsere Entschlossenheit und reagierte verärgert.“

Erst nach dem 9. Februar 1976, „als die Unterschrift des Präsidenten das Tunney-Amendment legalisierte, erkannte die CIA ihre Niederlage an und begann, sich zurückzuziehen“, so Stockwell. Die portugiesische Kommandotruppe wurde aufgelöst und einige Agenten der Operation wurden aus dem Einsatz nach Hause geschickt. „Aber selbst dann, nach dem 9. Februar, setzte die CIA ihre Waffenlieferungen nach Angola fort, indem sie zweiundzwanzig zusätzliche Flüge von Kinshasa zum Flugplatz in Gago Coutinho im Osten Angolas schickte und zusätzliche 145.490 Pfund Waffen und Munition lieferte“ (19).

UNITA-Anführer Savimbi fragt, wie die Strategie weitergehen soll, und erhält wochenlang keine Antwort von der CIA. Die Agentur versucht währenddessen, den Krieg vielleicht doch öffentlich vertretbar zu machen. Währenddessen verliert die UNITA bei einer vernichtenden Niederlage 600 Soldaten (20). Schließlich erhält Savimbi von der CIA die Antwort, er solle weiterkämpfen und einen Widerstand gegenüber der MPLA darstellen. Dieses Vorgehen ist jedoch einfach nur noch brutal und sinnlos.

„Als Washington schließlich antwortete, ermutigte es Savimbi, weiterzukämpfen. Am 11. Februar versprach der CIA-Sprecher Savimbi eine weitere Million Dollar an Waffen und Geld. Am 18. Februar 1976 sandte Außenminister Kissinger ein Telegramm an den amerikanischen Gesandten in Kinshasa, in dem er ihn anwies, den UNITA-Führern mitzuteilen, dass die Vereinigten Staaten die UNITA weiterhin unterstützen würden, solange sie die Fähigkeit zum effektiven Widerstand gegen die MPLA unter Beweis stellen würde. Zu diesem späten Zeitpunkt wusste Kissinger sehr wohl, dass wir die UNITA nicht mehr unterstützen würden“ (21).

CIA und Regierung gingen mit diesem Verhalten über Leichen und machten auch nicht vor ihren Verbündeten halt.

Jonas Savimbi wendet sich 1976 mit einer Botschaft um Asyl für seine Mutter und Kinder an den sambischen Präsidenten Kenneth Kaunda. Er erklärt, dass die inzwischen aufgestellte Kriegsmaschinerie aus Kuba und der Sowjetunion seine Vorstellungskraft übersteige, und dass sie beschließen müssen, sofort zum Guerillakrieg überzugehen. Savimbi fasst zusammen: „Niemand ist für diese Katastrophe verantwortlich, außer den Großmächten“ (22, 23).

Bei seinem letzten Treffen mit einem CIA-Offizier, am 1. Februar 1976, schwor der UNITA-Anführer Savimbi, den angolanischen Busch niemals lebend zu verlassen (24). Der FNLA-Anführer Roberto musste im April 1976 beklagen, dass Tausende vertriebene Anhänger der FNLA im unteren Zaire verhungerten. Der US-verbündete Diktator Mobutu, damaliger Präsident von Zaire, weigerte sich, jemanden zu empfangen, und ließ die 1.376.700 Dollar für sie in die eigene Tasche wandern. „Es war nur eine Frage von Tagen, bis die UNITA- und FNLA-Führer die Station von Kinshasa stürmten, verzweifelt, hungrig und ihre Schulden noch immer nicht beglichen“, erinnert sich Stockwell. „Die Tatsache, dass Mobutu genauso begierig darauf war wie wir, die Befreiungsbewegungen loszuwerden, wurde geflissentlich ignoriert.“

Die Station in Kinshasa habe einen schwachen Versuch unternommen, eine weitere Million Dollar vom Hauptquartier zu erhalten, aber es war vorbei. Es gab kein Geld mehr. „Wir waren nicht im Missionsgeschäft und unsere Zusammenarbeit mit den angolanischen Revolutionären war beendet“(25).

„Es war natürlich unmöglich, die Gesamtzahl der Afrikaner zu zählen, die während der verdeckten Operation ihr Leben verloren“, so das traurige Fazit Stockwells. Die Zahlen gehen zweifellos in die Tausende. Keiner der CIA-Mitarbeiter wurde getötet oder litt an schlimmeren Beschwerden als Malaria. Dies jedoch sei normal, da die CIA immer hinter den Kulissen tätig sei und die ernsthaften Risiken anderen überlasse (26).

Das Ende des Kriegs in Angola

Im Februar 2002 geriet UNITA-Chef Jonas Savimbi in einen Hinterhalt und starb, man sagt, in einem Feuergefecht. Der Tod Savimbis gilt zugleich als Ende des Bürgerkriegs nach 27 Jahren. Bis zu 500.000 Menschen hatten in diesem Krieg ihr Leben verloren. Hungersnot, Vertreibung, Landminen und die Zerstörung der Infrastruktur waren zudem die Folge des Kriegs. Am 4. April 2002 unterzeichneten die angolanische Regierung und die UNITA in der angolanischen Hauptstadt Luanda ein Waffenstillstandsabkommen, um den Krieg zu beenden.

Die traurigen Folgen des Kriegs sind „eine halbe Million getöteter Zivilisten, mehr als vier Millionen Flüchtlinge“ und „ein ruinierter Staat“, fasst Hellmuth Vensky 2012 zusammen. Rund vier Fünftel der Bevölkerung Angolas hatten bis dahin keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, mehr als die Hälfte hatte kein Trinkwasser. „Jedes dritte Kind stirbt, bevor es fünf Jahre alt ist“, heißt es weiter. „Rund 15 Millionen Landminen fordern auch zehn Jahre nach Kriegsende noch Todesopfer oder verstümmeln Menschen. Ein ganzes Land kämpft mit seinen Traumata.“

Erst in den Neunzigerjahren, „als der Ost-West-Konflikt sich in Glasnost und Perestroika“ auflöste, verloren die UNITA-Rebellen die Unterstützung des Westens. Lange noch nach dem Zerfall des Warschauer Paktes und der Sowjetunion kämpften in Angola die marxistische MPLA gegen die lange von den USA unterstützte UNITA.

Stockwells Fazit zur CIA

Stockwells Fazit zu seinem einstigen Arbeitgeber ist konsequent und schonungslos:

„In ihrer Rolle als Superpatrioten gab es für die CIA-Akteure keine Regeln, keine Kontrollen, keine Gesetze, keine moralischen Schranken und keine Bürgerrechte. Kein Mensch auf der Welt war gegen ihre Grausamkeiten gefeit, Freunde konnten ohne Gewissensbisse über den Tisch gezogen und Feinde vernichtet werden. Es war ein Experiment der Amoralität, eine real existierende Fantasie-Insel, auf die sich Präsidenten, Abgeordnete und das amerikanische Volk stellvertretend flüchten konnten (28).“

Der Geheimdienst sei ein unglückseliges Relikt des Kalten Krieges, fest verankert in der Regierung der USA, und bewahrt durch ein selbstverliebtes, nostalgisches Bekenntnis zu seinem Fortbestehen. „Die Präsenz der CIA in den amerikanischen Außenbeziehungen wird von der Geschichte als eine Kapitulation vor der dunklen Seite der menschlichen Natur bewertet werden“ (29).

Im zweiten Teil werfe ich einen Blick auf das Afghanistan der 1960er-Jahre, die Anfänge des Stellvertreterkriegs in Afghanistan und die Rolle der CIA darin sowie die langfristigen Folgen aus alldem bis zur heutigen Situation, in welcher die Taliban wieder die Macht im Land ergriffen haben.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Stockwell, John: In Search of enemies: How the CIA lost Angola, Futura Verlag, 1979 Seite 47.
(2) Ebenda, Seite 64.
(3) Ebenda, Seite 157.
(4) Ebenda, Seite 147 folgende.
(5) Ebenda, Seite 155.
(6) Ebenda, Seite 211.
(7) Ebenda, Seite 211.
(8) Ebenda, Seite 162.
(9) Ebenda, Seite 82.
(10) Ebenda, Seite 162.
(11) Ebenda, Seite 166.
(12) Ebenda, Seite 143.
(13) Ebenda, Seite 267.
(14) Ebenda, Seite 67.
(15) Ebenda, Seite 31.
(16) Ebenda, Seite 32.
(17) Ebenda, Seite 33.
(18) Ebenda, Seite 246.
(19) Ebenda, Seite 247.
(20) Ebenda, Seite 36.
(21) Ebenda, Seite 248.
(22) Ebenda, Seite 249.
(23) Im Original: „No one is reponsible for this desaster but the big powers.“
(24) Ebenda, Seite 250.
(25) Ebenda, Seite 261.
(26) Ebenda, Seite 262.
(27) Ebenda, Seite 271.
(28) Ebenda, Seite 268.
(29) Ebenda, Seite 271.

Angela

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